Gastbeitrag von Gernot Reipen
Die Bundesregierung hat auf eine aktuelle Anfrage der LINKEN bestätigt, dass der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro nicht ausreicht, um einen Rentenanspruch über dem Existenzminimum zu erwirtschaften. Auch dann nicht, wenn 45 Jahre lang bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden ohne Arbeitsunterbrechung in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt wurde. Somit könnte bereits 2030 jeder zweite Rentner von
Altersarmut betroffen sein. Und das in einem der reichsten Länder der Welt.
Bereits in den 1980er Jahren waren zunehmend mahnende Stimmen laut geworden, dass der Generationenvertrag der gesetzlichen Rentenversicherung zum Scheitern verurteilt sei. Denn es war absehbar, dass das Verhältnis von Beitragszahlern und Beitragsempfängern durch den demografischen Wandel sich immer weiter zuungunsten der Beitragszahler verschlechtern würde. Hinzu kam noch der Umstand, dass die Rentenkasse [Seite 4] schon immer sehr gerne für versicherungsfremde Leistungen von den Regierenden in Anspruch genommen wurde. So riss die Wiedervereinigung ein großes Loch in die Rentenkasse, da ab 1992 auch die ehemaligen DDR-Bürger ihre Rente aus der Rentenkasse der Bundesrepublik beziehen. Ein weiteres Beispiel ist die Mütter-Rente, die 2014 von der Großen Koalition eingeführt wurde. Eigentlich müssten solche Fremdleistungen von der Allgemeinheit, sprich steuerfinanziert, bezahlt und nicht den Erwerbstätigen allein aufgebürdet werden.
Damit die Debatte über die Zukunft der Rente nicht ganz aus dem Ruder lief, äußerte Norbert Blüm (CDU, ehemaliger Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung) im Wahlkampf 1986 erstmals den prägnanten Satz: „Die Rente ist sicher“. Um die Beitragssätze für die Rentenkasse möglichst stabil zu halten – von 2000 bis 2015 lagen die Beitragssätze zwischen 19,3 % und 18,7 % – sank das Rentenniveau von 50,8 % (2011) auf 48,3 % (2015). Und für 2025 wird bereits ein Rentenniveau von 45,2 % prognostiziert. Mit der stetigen Herabsenkung des Rentenniveaus seit 2000 wurde den politischen Verantwortlichen bewusst, dass viele Erwerbstätige in Zukunft von der gesetzlichen Rente allein nicht mehr ihren Lebensunterhalt bestreiten und in Altersarmut geraten könnten.
Neben der Betriebsrente, die für viele ein weiteres Standbein der Altersbezüge darstellt, wurde die politische Forderung einer privaten Alterssicherung als weitere Säule der Altersabsicherung in die Debatte eingebracht. Mit der Einführung der „Riester“-Rente bei der Rentenreform 2000/2001 hoffte die Rot-Grüne-Regierung unter Gerhard Schröder, ein zukunftsfähiges Rentenmodell etabliert zu haben. Heute sehen namhafte Politiker, unter anderem Hannelore Kraft (SPD) und Horst Seehofer (CSU) sowie Experten wie Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, die Riester-Rente als gescheitert an.
Gerade für Geringverdiener, für die ja eigentlich diese Zusatzversicherung in erster Linie gedacht war, profitieren von der staatlich unterstützten Altersvorsorge nicht.
Damit wurde in jüngster Zeit eine neue Runde der Renten-Debatte auf die politische Tagesordnung gebracht. Verhältnismäßig einfach macht es sich Finanzminister Schäuble (CDU), der die Rente mit 70 einführen möchte.
Unterstützung bekommt er vom Rentenexperten Bernd Raffelhüschen (Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge der Universität Freiburg). Er fordert pro Jahr mehr Lebenserwartung vier Monate länger arbeiten.
Drei hessische Landesminister, Thomas Schäfer (Finanzen), Stefan Grüttner (Soziales), beide in der CDU, und ihr grüner Kollege Tarek Al-Wazir (Wirtschaft) wollen mit der „Deutschland-Rente“ ein „einfaches, kostengünstiges Standardprodukt für jedermann“ einführen.
Jeder Arbeitgeber soll in einen vom Staat verwalteten Anlagetopf einzahlen. Die Beiträge werden vom Arbeitgeber vom Gehalt abgezogen und in die Rentenversicherung eingezahlt. Fondsmanager legen anschließend das Geld am Kapitalmarkt an. Der Fonds soll – anders als bei Versicherern oder Fondsgesellschaften – „ohne eigenes Gewinninteresse auf Selbstkostenbasis“ arbeiten.
Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Andrea Nahles (SPD), schlägt das Modell einer Lebensleistungsrente vor. Hierdurch sollen Menschen im Alter finanziell unterstützt werden, die trotz eines langen Berufslebens nicht genug Rentenansprüche gesammelt haben. Nach den Plänen von Frau Nahles sollen gerade Geringverdiener davon profitieren.
Die Renten von Arbeitnehmern, die mindestens 40 Jahre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt, dabei aber weniger als 30 Entgeltpunkte angesammelt haben, sollen so aufgestockt werden, dass ihnen eine Rente über dem Existenzminimum zugesichert wird. Dies entspricht derzeit einer monatlichen Rente von rund 812 Euro (neue
Bundesländer) beziehungsweise 877 Euro (alte Bundesländer). Wie die Lebensleistungsrente finanziert werden soll, ist noch völlig ungeklärt.
Die Rentendebatte könnte, wie 1986, ein Thema für den Bundestagswahlkampf 2017 werden. Festzustellen ist bereits schon jetzt, dass keine der etablierten Parteien an eine grundlegende Rentenreform denkt, die nach Auffassung der Sozialpiraten längst überfällig ist. Nach wie vor wird an einem Drei-Säulenmodell, bestehend aus der Gesetzlichen
Rentenversicherung, einer Betriebsrente und einer privaten Altersvorsorge, festgehalten. Damit wird deutlich, dass die gesetzliche Rentenversicherung in Zukunft nicht mehr als alleinige Altersversorgung ausreichen wird. Nach Auffassung der Sozialpiraten wird dadurch die Altersarmut nicht beseitigt, sondern eher noch verschärft.
Seit 2012 fordert die Piratenpartei Deutschland die Einführung einer Grundrente. Alle bestehenden Rentensysteme, berufsständische Versorgungssysteme und Pensionen im Öffentlichen Dienst sollen zu einer Rentenkasse zusammengeführt werden. Ferner sollen alle steuerpflichtigen Einkommen und Kapitalerträge zur Zahlung von Rentenbeiträgen
verpflichtet werden. Keine Berufsgruppe ist davon ausgenommen. Die Rentenbezüge sollen sich innerhalb einer Mindest- und Maximalrente bewegen. Die Rentenkasse ist für die Rente zweckgebunden. Damit sollen versicherungsfremde Leistungen ausgeschlossen werden [15].
Gerade bei ihrem letzten Bundesparteitag im Februar 2016 hat die Piratenpartei Deutschland ihre Forderung einer Grundrente noch einmal bekräftigt. Auch im aktuellen Grundsatzprogramm ist sie ein wesentlicher Bestandteil einer solidarischen und gerechten Sozialpolitik. Nach den Plänen der Sozialpiraten soll diese Grundrente auch nach Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens Bestandteil einer solidarischen
und fairen Gesellschaft sein. Altersarmut, die direkte Folge der über Jahrzehnte verfehlten Rentenpolitik ist, würde damit endgültig der Vergangenheit angehören.
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