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Wer rettet hier eigentlich wen?

Ein kritischer Gastbeitrag zur Debatte um Asyl- und Zuwanderungspolitik

In den letzten Wochen prägen hitzig geführte Debatten die Stimmung in unserem Land. Die einen heißen Flüchtlinge willkommen und treten vehement für Gastfreundschaft und Humanität ein, die anderen schreien rechte Parolen und rufen zu Kundgebungen auf. Gewaltbereite Nazis sind sogar bereit Flüchtlingsunterkünfte anzuzünden, wie jüngst in Nauen und anderswo [1]

Unsere Politiker verhalten sich angesichts der polarisierten Stimmung indifferent – Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will mit „Taschengeldkürzungen für Asylbewerber“ bei rechtsgesinnten Deutschen punkten [2] und Andreas Bausewein (SPD) [3] kontert mit der Abschaffung der Schulpflicht für die Kinder der Flüchtlinge. Stimmenfang am rechten Rand der Gesellschaft ist salonfähig geworden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hingegen besucht anlässlich der Krawalle in Heidenau zum ersten Mal eine Flüchtlingsunterkunft, um zu zeigen, wie hochgeschätzt Engagement, Willkommensgesten und ehrenamtliche Hilfe sind [4]. Damit umschmeichelt sie die potentiellen Wähler, die sich für Flüchtlinge einsetzen und auf die Genfer Konvention pochen, die zur Aufnahme der Menschen verpflichtet.

Aber keiner der etablierten Politiker ist bereit, Tacheles zu reden, als hätte niemand in diesem Land die Wahrheit verdient. Wir haben nämlich ein Problem, hier im sicheren, reichen Deutschland. Es wird „demographischer Wandel“ genannt. Seit Jahren stehen einer wachsenden Anzahl von Rentnern eine schwindende Anzahl von Geburten gegenüber [5].

Deshalb werden in rund 40 Jahren in unserem Land etwa 15 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Die Zahl der in diesem Land lebenden Menschen fällt mutmaßlich zwischen den Jahren 2013 und 2060 von 81 Millionen auf rund 68 Millionen, und der größte Anteil der Einwohner wäre über 65 Jahre alt [6].

Experten rechnen damit, dass deshalb unsere Wirtschaft und unsere Rentensysteme in Gefahr sind, weil zukünftig immer weniger junge Menschen immer mehr Rentner mitfinanzieren müssen [7].

Hilflos suchen Politiker seit Jahren Auswege aus der drohenden Krise. Verschiedene Strategien wurden ausprobiert und scheiterten [8]

Ein garantierter Kitaplatz sollte Frauen im Job halten: Fehlanzeige. Die Anzahl der erwerbstätigen Mütter stieg bisher nur unwesentlich [9].

Elterngeld und Herdprämie sollten Frauen davon überzeugen, mehr Kinder zu bekommen. Fehlanzeige: die Anzahl der Kinder blieb konstant bei 1,4 – die Geburtenraten stiegen nicht [10]. Deutschland ist, was die Geburtenrate betrifft, mittlerweile Schlusslicht im weltweiten Vergleich [11].

Es blieb nur die Erhöhung des Rentenalters als nächster Ausweg. Ignoriert wurde aber die Tatsache, dass Arbeitnehmer nicht in jedem Beruf beliebig lange arbeiten können. Flexirenten, individuelle Lebensgestaltung, die längeres Arbeiten oder Jobben für Rentner rentabel machen, sind augenblicklich diskutierte Modelle, um dieser Krise zu entgehen [12]. Doch das sind Tropfen auf dem heißen Stein, wie man so zutreffend sagt, denn zunehmend wächst die Altersarmut in Deutschland [13]. Flaschensammler gehören mittlerweile schon fast zum alltäglichen Bild [14].

Junge Menschen wissen, dass ihre Renten infrage stehen, fühlen sich überfordert und versuchen, die Problematik zu ignorieren. Wegen sehr niedriger Einkommen können viele nicht für eine private Altersvorsorge sparen und die, die es könnten, sparen nachweislich viel zu wenig [15]. Binnen der nächsten Jahrzehnte wird sich die Situation in Deutschland schleichend verschlechtern, es sei denn, es fände sich ein Ausweg.

Eine Lösung dieser Probleme bekommen wir gerade geschenkt und merken es nicht einmal in der aufgeheizten Debatte. Es gibt eine große Anzahl von Menschen, die hier mit uns leben wollen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Viele nennen wir Flüchtlinge: Sie fliehen vor Krieg, Folter und Verfolgung in ihren Heimatländern.

Andere leiden in ihrem Heimatland unter Arbeitsbedingungen, die krank machen, und dazu an bitterer Armut. Eine Arbeiterin in Ecuador, die in der Blumenindustrie arbeiten muss, erleidet Sehstörungen, Schwindel, Haut- und Atemwegserkrankungen [16]. Wir nennen sie einen „Wirtschaftsflüchtling“ und die meisten Politiker befürworten ihre schnelle Abschiebung.
Wieder andere Menschen möchten einfach nur zuwandern, um eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder zu haben. Diese Menschen möchten die Politiker am liebsten gar nicht erst nach Deutschland lassen.

Wir teilen diese Menschen also in fragwürdige Kategorien und debattieren über die Frage, wie viel Zuwanderung, wie viele Flüchtlinge beziehungsweise Asylbewerber dieses Land verträgt und wer aus humanitären Gründen dringend aufgenommen werden muss.

Dabei vergessen wir die Wahrheit: Wir brauchen sie alle.

Es ist Zeit für einen Perspektivenwechsel.

Nicht wir sind es, die Refugues retten, sie retten uns!

Wenn wir weiter gemütlich in unserem Wohlstand leben wollen, sollten wir schleunigst aufhören, uns vorzumachen, dass wir humane, gastfreundliche Gnade walten lassen, wenn wir Flüchtlinge aufnehmen. Es gibt auch kein vernünftiges Argument, sogenannte ‚Wirtschaftsflüchtlinge“ abzuweisen oder sich gegen Zuwanderung zu sträuben. Dies zeigte eine Studie der Bertelsmannstiftung, laut der langfristig jährlich 533.000 Menschen nach Deutschland zuwandern müssten [17].

Vielmehr sollten wir dankbar annehmen, dass Menschen hierher kommen und unsere Gesetze so ändern, dass sie schnell und unkompliziert hier leben und arbeiten können. Auch sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ müssten wir eigentlich willkommen heißen. Natürlich bevorzugt die Wirtschaft qualifizierte Arbeitnehmer. Viele, aber nicht alle Menschen entsprechen dieser Anforderung, aber Qualifikation lässt sich erwerben, wenn wir den Menschen, die zu uns kommen wollen, entsprechende Möglichkeiten eröffnen.

Jeden Cent, den wir investieren, um Menschen unterzubringen, auszubilden und zu integrieren, werden wir doppelt und dreifach zurückbekommen. Denn wir investieren in unsere eigene Zukunft und die unserer Kinder!


Quellen:

[1] http://google.de
[2] https://web.archive.org/web/20151024082719/http://www.sueddeutsche.de/news/politik/fluechtlinge-de-maizire-will-asyl-leistungen-ueberpruefen—harte-kritik-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-150814-99-07387
[3] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-08/fluechtlinge-kinder-schulpflicht-thueringen-forderung-bausewein
[4] https://web.archive.org/web/20160211152541/http://www.heute.de/bundeskanzlerin-merkel-besucht-fluechtlingsunterkunft-in-heidenau-gauck-in-berlin-39842868.html
[5] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsvorausberechnung/InteraktiveDarstellung/InteraktiveDarstellung.html
[6] http://www.focus.de/finanzen/news/konjunktur/demografischer-wandel-15-millionen-arbeitskraefte-zu-wenig-deutschland-altert-zu-schnell_id_4665245.html
[7] http://www.focus.de/finanzen/karriere/perspektiven/demografischer_wandel/
[8] http://www.focus.de/finanzen/karriere/perspektiven/demografischer_wandel/demografischer-wandel-muetter-sollen-aus-der-patsche-helfen_aid_338773.html
[9] https://web.archive.org/web/20160527131123/http://www.bmfsfj.de:80/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/Ausge_C3_BCbte-Erwerbst_C3_A4tigkeit-von-M_C3_BCttern,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf
[10] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Geburten/Geburten.html
[11] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutschland-hat-die-niedrigste-geburtenrate-der-welt-a-1036553.html
[12] https://web.archive.org/web/20150910030535/http://www.bmbf.de:80/de/20112.php
[13] http://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/dazuverdienen-laenger-arbeiten-sozialhilfe-darben-statt-golfen-was-tun-wenn-die-rente-nicht-reicht_id_4559663.html
[14] http://www.welt.de/wirtschaft/article133975279/Altersarmut-wird-in-Deutschland-zum-Alltag.html
[15] http://www.manager-magazin.de/finanzen/artikel/a-897573.html
[16] http://www.zeit.de/wirtschaft/2012-02/blumen-ausbeutung-valentinstag
[17] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/zuwanderung-deutscher-arbeitsmarkt-braucht-mehr-auslaender-a-1025834.html

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